Supermärkte: Kunden fordern Pflicht-Toiletten

KIEL / BERLIN So schnell wurde aus dem natürlichen Bedürfnis eine Notlage: Als Jaschka Zimmennann in der Flensburger Innenstadt unterwegs war, musste ihr vier-

jähriger Sohn plötzlich auf die Toilette. Öffentliche WCs waren nicht in der Nähe.

Also fragte Zimmermann in der Filiale einer großen Drogerie-kette. „Dort antwortete man mir nur unhöflich: Wır sind hier nicht die Wohlfahrt“, beschwert sich die Floristin. Den Weg zum nächsten Karstadt schaffte ihr Sohn nicht mehr. „Wir mussten uns dann ein Taxi nach Hause nehmen, damit er sich in den nassen Hosen nicht erkältet“, sagt Zimmermann. Immer wieder wünschen sich Kunden wie die junge Mutter Toiletten beim Einkaufen. Berliner Politiker haben jetzt reagiert: Wer in Zukunft eine Baugenehmigung für einen 800 Quadratmeter großen Supermarkt bekommen möchte, muss auch ein Kunden-WC einplanen. Das haben die Leiter der Bezirks-bauaufsichten beschlossen, nachdem in einigen Stadtteilen Forderungen danach laut wurden.

 

Ein Vorbild für Schleswig-Holstein?

 

Wenn es nach dem Landesseniorenrat geht: Ja. „Wir haben viele Beschwerden von älteren Menschen bekommen, die in Supermärkten vergeblich nach einer Toilette gesucht haben“, berichtet Dr. Heinz-Dieter Weigert, Vorsitzender des Vereins. Als Arzt kennt er sich mit den Bedürfnissen älterer Menschen aus. Sie bräuchten länger fiir einen Einkauf. „Für Blasenkranke oder Prostatageschädigte ist das ein Problem.“

 

Die Vertreter fiir Senioren in Schleswig-Holsteirı haben deshalb im Altenparlament des Landtags einen Beschluss gefasst „Wir haben den Landtag und die Landesregierung aufgefordert verbindliche Vorgaben für kostenfreie und zugängige Toiletten in Verkaufsbereichen in die Landesbauordnung aufzunehmen“, sagt Weigert.

Von der Größe des Marktes will er diese Pflicht nicht abhängig machen: „Bei 799 Quadratmetern muss man genauso auf Toilette wie bei 800.“ Weigert sieht die Verantwortung nicht nur bei den Märkten sondern auch bei den Vermietern der Immobilien. „Dort fangt das Problem bei der Planung ja schon an.“

Für Toilettenräume in Supermärkten gibt es in der Landes-bauordnung keine Reglung, heißt es aus dem zuständigen Innenministerium. „Das Ministerium erarbeitet derzeit eine Stellungnahme zu dem Beschluss des Altenparlaments“, sagte Pressesprecher Thomas Giebeler. Sie soll am 19. Dezember an den Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags über-sendet werden. Das Altenparlament wird jährlich vom Land-tagspräsidenten eingeladen, um in Kiel über Probleme und Wünsche zu diskutieren. Die Beschlüsse sind nicht bindend. Trotzdem prüfen die Parteien die Forderungen. „Wir begrüßen den Vorstoß. Gerade auch für Senioren oder für Eltern von kleinen Kindern ist das super“, sagte Marret Bohn, sozial-politische Sprecherin der Grünen, unserer Zeitung. Der Einzelhandel lehnt Vorgaben wie in Berlin ab. „Durch den demografischen Wandel ist das Müssen müssen für uns ein Thema. Es sollte aber eine untemehmerische Entscheidung bleiben“, sagte Monika Dürrer, Geschäftsführerin des Einzel-handelsverband Nord (EHV). Viele Händler würden das genera-tionenfreundliche Einkaufen bereits als Wettbewerbsvorteil erkannt haben. Eine Kunden-Toilette gehöre zu diesem Konzept dazu. Doch nicht immer würden die örtlichen Bege-benheiten eine öffentliche Toilette zulassen. Ob Kunden die Mitarbeiter-Toilette nutzen dürfen, sei eine Kulanz-Entschei-dung. „Die meisten sagen: ,Ja“', so Dürrer. Komplizierter wird es in Läden mit Hygienevorschriften: „Hier muss der Unterneh-mer sicherstellen, dass zum Beispiel Lebensmittel nicht kontaminiert werden. Diese Pflicht wird keiner aufs Spiel setzen.“

„Supermärkte: Kunden fordern Pflicht-Toiletten“ – sh:z / Flensburger Tageblatt, 25.10.2014

Text: Tobias Fligge